Die spannende Phase hat begonnen:
Am 29. September 2023 wird der Bundesrat den Entwurf des „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (kurz „CanG“) diskutieren. Das CanG regelt hauptsächlich den gemeinschaftlichen und privaten Eigenanbau von Cannabis im „Konsumcannabisgesetz“ (KCanG). Die Verwendung von Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken wird im „Medizinal-Cannabisgesetz“ (MedCanG) geregelt. Dies ist ein komplexes rechtliches Verfahren, das stark von internationalen und europäischen Rechtsnormen beeinflusst wird.
Zurückblickend:
Ende November 2021 plante die damals neu gewählte Regierung, „die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. In der Folgezeit gab es jedoch Bedenken, dass die Legalisierung von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften gegen höherrangiges Recht verstoßen könnte. Die Eckpunkte des sogenannten „2-Säulen-Modells“ wurden zunächst von Herbst 2022 auf März 2023 verschoben, und der Referentenentwurf, der ursprünglich für Ende April geplant war, verzögerte sich bis Anfang Juli. Dies ist eine Entwicklung, die wir in anderen Jurisdiktionen oft sehen, wenn sie sich neuen Regulierungsthemen „zu zaghaft und halbherzig“ annähern.
Am 4. Oktober 2023 wird das Bundeskabinett die Empfehlungen des Bundesrates berücksichtigen, und der Bundestag wird den Gesetzesentwurf erstmals am 12. Oktober 2023 erörtern. Die zweite und dritte Lesung sind für den 16. November geplant. Kurz vor Weihnachten könnte es dann so weit sein: Am 15. Oktober 2023 wird der Gesetzesentwurf zum zweiten Mal in den Bundesrat eingebracht. Es könnten noch erhebliche Änderungen am derzeitigen Gesetzentwurf aufgrund weitreichender Vorschläge der drogenpolitischen Sprecher:innen der Regierungsfraktionen geben.
Der Gesetzentwurf markiert einen Wendepunkt in der deutschen Drogenpolitik. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird der gemeinschaftliche, nichtgewerbliche Eigenanbau von Cannabis legalisiert. Anbauvereinigungen, das heißt eingetragene nicht wirtschaftliche Vereine oder eingetragene Genossenschaften, dürfen bis zu 500 Mitglieder versorgen und bis zu 300 kg Konsumcannabis produzieren. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Anbauvereinigungen den gemeinschaftlichen nichtgewerblichen Eigenanbau von Cannabis und die Weitergabe an Mitglieder sowie die Weitergabe von Vermehrungsmaterial in ihrer Satzung festlegen müssen, gemäß § 1 Nr. 13, lit. b) KCanG-E. Dies entkriminalisiert Cannabis in der „ersten Säule“, um in der „zweiten Säule“ des zweistufigen Gesetzgebungsverfahrens, dem sogenannten „Club Anbau & Regional-Modell/CARe“, innerhalb lizenzierter Fachgeschäfte und kommerzieller Lieferketten zu legalisieren.
Cannabis könnte, ähnlich wie der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC e.V.) oder Fußballvereine, in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Studien deuten auf strukturelle Veränderungen in Vereinen hin. Während die Anzahl der klassischen Vereine für Sport, Freizeit und Geselligkeit stetig zurückgeht und die Gründung neuer Vereine abnimmt, gibt es einen Anstieg von Vereinen, die sich mit Bürger- und Verbraucherinteressen, Bildung, Erziehung und gemeinschaftlicher Versorgung befassen.
Da Anbauvereinigungen vor der Aufgabe stehen, bis zu 500 Mitglieder – bei etwa 3,6 Millionen Konsumenten in Deutschland – mit Konsumcannabis zu versorgen, stimme ich der Einschätzung des Bundesrates zu, wonach deutschlandweit im ersten Jahr mehr als 1.000 Anbauvereinigungen eine Erlaubnis beantragen werden. Die Anzahl der Konsument:innen, die in den letzten 30 Tagen vor einer repräsentativen Befragung mindestens einmal Cannabis konsumiert haben, liegt bei 1,48 Millionen Personen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Großteil dieser Konsument:innen Mitglieder von Anbauvereinigungen werden möchte. Wenn man die jüngsten strukturellen Entwicklungen in Betracht zieht und bedenkt, dass nicht jeder Club 500 Mitglieder aufnehmen wird, könnten mindestens 2.960 Anbauvereinigungen für 1,48 Millionen Konsument:innen erforderlich sein. Wenn man auch die 2,26 Millionen Gelegenheitskonsumenten mit einer 12-Monats-Prävalenz berücksichtigt, könnten mindestens 4.520 Anbauvereinigungen erforderlich sein, wenn jeder Club unterstellt 500 Mitglieder hat. Insgesamt sind also 7.480 Anbauvereinigungen möglich.
Da nicht jede Anbauvereinigung 500 Mitglieder aufnehmen wird, könnte die Gesamtzahl der Konsument:innen mit 30-Tages- und 12-Monats-Prävalenz ein Hinweis auf die sich daraus ergebenden 3,74 Millionen Konsument:innen sein. Wenn zwei Drittel davon Mitglieder von Anbauvereinigungen mit durchschnittlich 250 Personen werden, könnten bis zu 9.873 Anbauvereinigungen erforderlich sein.
Wirtschaftliche Bedeutung: Fakten und Zahlen
Vereine sind nicht nur Orte der sozialen Interaktion, sondern auch Quellen für Innovation und wirtschaftliche Vielfalt. Im Jahr 2022 waren 615.759 eingetragene Vereine und 1.939 gemeinwohlorientierte Genossenschaften im Vereins- bzw. Genossenschaftsregister eingetragen. Vereine fördern soziale Interaktionen, können Dienstleistungen anbieten und sogar erhebliche wirtschaftliche Werte schaffen.
Durch die Vernetzung von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen können neue Ideen und Unternehmen entstehen. Die deutsche Vereinslandschaft war und wird immer der Nährboden für große Industrien, wie die Fußball-Bundesliga mit über 4,4 Milliarden Euro Umsatz. Allein der ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.) erzielt mit Dienstleistungen wie Pannenhilfe, Versicherungen und Verkehrsinformationen in seiner Tochtergesellschaft, der ADAC SE, über 1,04 Milliarden Euro Umsatz und erzielte laut Wirtschaftsbericht 2021 in einer Tochtergesellschaft eine Konzernbilanzsumme von über 1,8 Milliarden Euro. Dieser Konzern erzielt diese Umsätze durch verschiedene Geschäftsfelder wie Autovermietung oder Automotive-Dienstleistungen.
Welche rechtlichen Grundlagen gelten für Cannabis-Clubs?
Eingetragene Vereine (e.V.) nach § 21 BGB sind in Deutschland ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens und die am häufigsten gewählte Rechtsform für zivilgesellschaftliche Organisationen. Neben e.V. gibt es zwar auch gemeinnützige Kapitalgesellschaften (wie z.B. gUG, gGmbH, gAG) oder gemeinwohlorientierte Genossenschaften (eG) sowie die rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, dennoch firmieren 93% aller zivilgesellschaftlichen Organisationen als eingetragene Vereine.
Eingetragene Vereine (e.V.) unterliegen in Deutschland dem allgemeinen Vereinsrecht, das in den §§ 21 bis 79 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt ist. Ein e.V. muss im Vereinsregister eingetragen sein, um rechtlich handlungsfähig zu sein. Wenn ein Verein rechtlich handlungsfähig ist, kann er Verträge abschließen, beispielsweise mit Mini-Jobbern, die am gemeinschaftlichen Eigenanbau beteiligt sind, gemäß § 17 Abs. 1, S. 1 KCanG-E. Die Satzung der Anbauvereinigung muss neben dem in § 1 Nr. 13, lit.b) KCanG-E vorgeschriebenen Satzungszweck auch die Organe des Vereins enthalten. Die Hauptorgane sind normalerweise die Mitgliederversammlung und der Vorstand sowie „beauftragte Personen“ gemäß § 30 BGB, die ebenfalls im Vereinsregister eingetragen sind. Der Vorstand vertritt den Verein vor Gericht und außergerichtlich.
Nicht-wirtschaftlichen Vereinen ist es unter bestimmten Bedingungen gestattet, innerhalb des sogenannten „Nebenzweckprivilegs“ einen wirtschaftlichen Zweckbetrieb zu betreiben, der dem Hauptzweck untergeordnet ist und diesem unmittelbar dient, obwohl der Gesetzgeber grundsätzlich für wirtschaftliche Tätigkeiten handelsrechtliche Formen wie OHG, KG, GmbH, AG, SE und Genossenschaft vorsieht.
Zusammenfassend ist die Vermeidung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten für Vereinsorgane entscheidend, um ihre Haftung zu verhindern. Ein Vereinsvorstand hat die Verpflichtung, durch angemessene Maßnahmen sicherzustellen, dass die Gesetze vom Verein, seinen Mitgliedern und seinen Angestellten eingehalten werden (Compliance-Verantwortung), gemäß §§ 27 Abs. 3, 664 ff., 276 Abs. 2 BGB2. Da derzeit nur wenige oder keine D&O-Versicherungen Compliance-Risiken in Anbauvereinigungen abdecken, sollten Vorstände und besondere Vertreter von Anbauvereinigungen frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um ihrer Compliance-Verantwortung gerecht zu werden.
Ausblick
Anbauvereinigungen haben das Potenzial, Cannabis von seinem jahrzehntelangen Stigma zu befreien. Sie könnten einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Cannabis in einer aufgeklärten und verantwortungsbewussten Gesellschaft akzeptiert wird. Die Einführung von Anbauvereinigungen könnte nicht nur dem Rückgang der Vereinslandschaft entgegenwirken, sondern auch zur neuen Blüte der Vereine beitragen, indem sie wichtige Gemeinschaftsaufgaben übernehmen.